1806 – 1888
I.
Entkeimt des Süds melodischem
Gesange,
Hat dich nach fremdem Lorbeer
bald gelüstet,
Und hundert Sänger haben sich
gebrüstet
Mit dir, Petrarca’s minniglichem Klange!
Doch auch der Schlachtruf
machte dir nicht bange,
Und als der Gallier uns’re
Flur verwüstet,
Hat Rückert
mit dem Harnisch dich gerüstet,
Zum Kampfe dich geführt im
edlen Drange!
Umsonst fortan zu dir wie
einer Insel
Will Liebesschmerz, will
Liebesnoth sich retten,
Bald tändelnd, bald mit
jammerndem Gewinsel;
Der deutsche Geist, er will
sich fester betten;
Gedanken malst du ihm mit
mark’gem Pinsel
Und dröhnst vom Schall
zerbrochner Feindesketten.
II.
„So kündigst Krieg du an uns
kleinen Liedern,
Weil wir vom Lenz, weil wir
von Liebe singen?
Zur Wolke soll die Nachtigall
sich schwingen
Und sich zum Sonnenflug des
Aars befiedern?“ –
Ich möchte d’rauf ein klares
Wort erwidern:
Wenn reich die Keime sich zum
Lichte ringen,
Vom Aether hoch des Frühlings
Wonnen dringen,
Da pflückt man gern die
Veilchen auch, die niedern;
Noch aber sind wir fern von
solchem Ziele;
Wir hören dumpf am Fels die
Brandung schäumen
Und steuern noch auf ungewissem
Kiele;
Kaum daß ein Frühroth will die
Gipfel säumen,
Und Poesie, sie soll bei Amors
Spiele
Gefahr und Hoffnung thatenlos
verträumen?
III.
Wie könnt’ ich je vom Lied die
Liebe trennen,
Das A und O des Alphabets der
Dichter?
Kein Krittler bin ich, bin
kein Splitterrichter,
Doch kann ich wahr nur eine
Liebe nennen;
Sie ist’s, für welche edle
Herzen brennen;
Ihr Wesen ist auch dieses
Streites Schlichter;
Sie macht die Seele stärker,
größeer, lichter
Und führt uns ein zu höherem
Erkennen;
Kein frecher Hohn vermag sie
zu entweihen;
Sie kann des Sklaven matter
Blick nicht schauen,
Die Freigeborne wohnt nur bei
den Freien;
Ihr Dichter, helft die Burg
der Freiheit bauen;
Dann werdet ihr der Lieb’ auch
Worte leihen,
des Kranzes werth, gereicht von
deutschen Frauen!